Eine kostenlose Erstberatung wird heutzutage von vielen Rechtsanwälten und Kanzleien angeboten. Dies soll potentiellen Klienten die Angst vor hohen Kosten einer Rechtsberatung nehmen und ihnen die Chance geben den Anwalt kennenzulernen und sich einen ersten Eindruck zu machen, ohne dass gleich Kosten anfallen.
Ob Anwälte mit der von ihnen angebotenen kostenlosen Erstberatung werben dürfen, hat das Landgericht Essen entschieden (Urteil: LG Essen, Urteil v. 10.10.2013, 4 O 226/13).
Eine Kanzlei hatte auf ihrer Kanzlei-Webseite mit einer kostenlosen Erstberatung und einer kostenlosen Ersteinschätzung geworben. Sie wurde von einer anderen Kanzlei abgemahnt und auf Unterlassung verklagt. Dabei ging es um Verstöße gegen § 49 Abs. 1 Satz 1 BRAO und aus Wettbewerbsrecht § 4 Nr. 1 UWG.
Das LG Essen entschied für den Beklagten. Es liegt kein Verstoß gegen § 49 Abs. 1 Satz 1 BRAO vor, da das Prinzip der Preisgestaltungsfreiheit dem Anwalt auch Raum für eine kostenlose Erstberatung gibt. Da es sich um eine außergerichtliche Beratung handelt, ist auch keine gesetzliche Gebühr vorgeschrieben. Auch besondere Umstände für die Unlauterkeit dieser Form der Werbung sind nicht zu erkennen, wie z.B. auch kein übertriebenes Anlocken (§ 4 Nr. 1 UWG).
Mit Urteil vom 09.05.2014 (Az.: 1 AGH 3/14) entschied auch der Anwaltsgerichtshof NRW wie das Landgericht Essen zuvor. Speziell mit dem neuen Wortlaut des § 4 Abs.1 S.3 RVG, nach der RVG-Reform, sind Pro Bono-Tätigkeiten und auch das Anbieten einer kostenlosen Erstberatung grundsätzlich jedem Rechtsanwalt erlaubt.
Ein weiteres Urteil des BGH vom 3.7.2017 (AnwZ (Brfg) 42/16) bestätigt die rechtmäßige Offerierung einer kostenlosen Erstberatung eines Rechtsanwalts, soweit es sich um außergerichtliche Angelegenheiten handelt. Nach diesem Urteil darf der Kläger (ein Rechtsanwalt für Verkehrsrecht) kostenlose Erstberatungen für Personen anbieten, die einen Verkehrsunfall erlitten haben. Insbesondere lagen die Voraussetzungen des § 49b Abs. 1 Satz 1 BRAO nicht vor. Die Klage des Rechtsanwalts war daher begründet. Er hat nicht gegen berufsrechtliche Pflichten verstoßen, indem er eine kostenlose Erstberatung für Personen angeboten hat, die einen Verkehrsunfall erlitten haben. Insbesondere sind die Voraussetzungen des § 49b Abs. 1 Satz 1 BRAO nicht erfüllt.